So machte sich Peter also auf den Weg, um das Land zu erkunden, in dem Ballycotton 2001 mit großem Erfolg auf Tournee war und die bisherigen CDs über die Plattenfirma
Jingo Records in fünfstelliger Zahl verkauft wurden. Taiwan!
In erster Linie sollte es ein Urlaub zur Erkundung von Land und Leuten werden, aber Peter hat Jingo Records informiert und sie gebeten in Taipei Radiointerviews zu organisieren
und die neuen Werke von Ballycotton zu promoten.
Jingo Records war nicht faul und verpasste Peter zwei ausgefüllte und durchorganisierte Tage.
TAIWAN – ALLGEMEIN
Nach 19 Stunden Flug erreicht man ein Land, in dem man nichts lesen und natürlich auch kein Wort verstehen kann. Obwohl Englisch weit verbreitet zu sein scheint, gibt es kaum irgendwo englische Schilder oder Anzeigen, auch die Leute sprechen und verstehen nicht so gut.
So musste ich also mein Chinesisch auspacken....
Ha ha, war nur ein Scherz.
Da half es mir ungemein, dass eine liebe Freundin und damalige Tourbegleiterin von Ballycotton, Erica I-Ting Chiu, mich vom Flughafen in KaoHsiung abholte und ab diesem Zeitpunkt die gesamte Kommunikation und Organisation meines (unseres) Trips in die Hand nahm.
Nun, dass Taiwan eine Insel mit 400 km Nord-Süd Erstreckung und 150 km Breite ist, 23 Millionen Einwohner, einen hohen Lebensstandard, Berge bis 4000 m, einige Nationalparks, die giftigsten Schlangen, ein paar Affen (Formosa Makakken) hat, aber auch ein Königreich der Schmetterlinge ist, diverseste tropische Früchte bietet, viele unterschiedliche Ureinwohner-Stämme beheimatet und als Hauptsprachen Mandarin-Chinesisch
und Taiwanesisch verwendet, also das kann man wohl in jedem Führer nachlesen.
Ich möchte gerne über ein paar ausgesuchte Themen erzählen ...
MENSCHEN
Taiwanesen sind grundlegend freundliche und hilfsbereite Menschen. Allerdings war mein erster Kontakt am Flughafen Taipei in einer Snackbar nicht gerade ein gutes Beispiel. Der Junge war unfreundlich, unlustig und unwillig.
Aber es stimmt schon, die Menschen sind unheimlich nett. Und kommunikativ. Während man bei uns eher versucht Probleme und auftauchende Fragen selbst zu lösen oder zu recherchieren, macht man sich in Taiwan nicht diese Mühe. Man spricht sofort mit dem nächstbesten Landsmann und erfährt den besten Weg zum Ziel oder die Öffnungszeiten des nächsten Supermarkts. Eigentlich sehr bequem, ich werde mir das in Österreich auch angewöhnen...
Ich habe übrigens in den zwei Wochen nur fünf nicht-asiatische Menschen gesehen. Am ehesten waren das dann Amerikaner. Ich wurde immer für einen Amerikaner gehalten, und mein „I am from Austria“ wurde dann klassischerweise nach Australien verlegt.
Was besonders auffällt ist, dass man sich hier nicht so begrüßt und verabschiedet, wie wir das gewohnt sind. Obwohl mir manchmal Männer die Hand geschüttelt haben, aber das kann auch daran liegen, dass ich eine „Langnase“ bin und sie mir gegenüber freundlich waren. Normalerweise steht man sich gegenüber und winkt. Das aber ausgiebig und wiederholt.
Trinkgeld gibt es nicht. Nicht im Hotel, nicht im Lokal, nicht im Taxi. Angenehmer Zustand.
MÜLLABFUHR
Etwas, das ich mittlerweile vermisse, ist die liebliche Automaten-Melodie, mit der Müllfahrzeuge auf sich aufmerksam machen. Es gibt zwei Varianten, ich hab beide gehört und es ist wie eine Seuche, die nicht vergeht. Notwendigerweise, da die Leute den Mist selber rausbringen, wenn die Müllabfuhr kommt.
AUFZÜGE
Ich bin mindestens 15mal gegen Aufzugtüren gerannt, bevor ich bemerkte, dass es einfach keine Lichtschranken gibt. Man muss schon mit dem Finger am „Tür auf“-Knopf kleben, sonst geht die Türe unweigerlich zu, mit oder ohne mir dazwischen...
Achja zum Thema Aufzug: Ich habe den Lift im Taipei 101 (dem höchsten Gebäude der Welt) erlebt. Der schafft es mit 1000m/min in 37 Sekunden auf 400 Meter. Sehr beeindruckend, dabei merkt man im Lift keinerlei Bewegung, nur die Ohren stülpen sich um.
VERKEHR
Ja ich hab’s getan. Ich bin in Taiwan Auto gefahren. Sogar in der Stadt. Es war auch nicht wirklich schwer - man darf nur keine Skrupel haben und muss verdammt vorsichtig sein.
Es gibt pro Einwohner zwei Scooter, und die sind gleichzeitig auf der Straße.
Auf jedem Scooter sitzen 1-4 Personen mit 1-8 Säcken und Taschen. Auf 5 Autos bei einer Kreuzung kommen ca 80 Scooter.
Es gibt eigene Scooterspuren, was das ganze ein bisschen organisierter macht, aber wirklich nur ein bisschen. Es ist völlig normal, dass solche Motorroller einem plötzlich entgegen kommen, auch nachts und ohne Licht.
Es gibt Regeln, aber fast niemand hält sich daran. Daraus ergibt sich auch eine gewisse Freiheit, an die ich mich sehr bald und sehr gerne gewöhnt habe:
Dreh um wo und wann du willst und wenn du in der dritten Spur fährst und plötzlich abbiegen musst, dann tu es einfach, blinken nicht nötig.
Ich habe ungefähr 10.000 Unfallsituationen gesehen, aber keinen einzigen Unfall.
Tatsache ist, dass alle Verkehrsteilnehmer völlig verrückt sind und das eigene Leben nicht so ernst nehmen.
NATUR
„Leave me away“ steht neben der Cobra auf einem Schild. Aha. Ich bekam keine Cobra zu Gesicht, aber auch keine andere der meist giftigen Schlangen. Auch die Affen wollten mich nicht treffen, okay, ich kann damit leben. Das kaltfeuchte Wetter hat auch nicht unbedingt zu einem Meeting in freier Natur eingeladen.
Aber was sich da im Osten Taiwans in den Bergen darbietet ist ein sensationelles Naturschauspiel. Die Tarokoschlucht alleine ist die Reise nach Taiwan wert.
Die unglaubliche Vogelwelt, die Schmetterlinge, Taiwan steht den Naturparadiesen der Erde um nichts nach.
Auch nicht wenn es um streunende Hunde geht, die sind hier wie die Menschen außerordentlich freundlich. Und natürlich die Mosquitos. Die sind auch sehr gastfreundlich, haben mich in Ruhe gelassen, dafür hat Erica einiges abbekommen.
Zu den Pflanzen sei gesagt, dass mir am ersten Blick an der Vegetation nichts aufgefallen ist, dann aber bemerkte ich, dass ich nicht einmal die kleinste Blume kannte. Es ist einfach alles anders. Typische Pflanzen sind Baumfarne, Betelnusspalmen, Bambus und Feigen.
ESSEN
In Taiwan wird rund um die Uhr gegessen. Mich hat das Essen sehr fasziniert. Vor allem die Vielfalt und die Esskultur am „Round Table“. Die runde Scheibe wird voll geräumt und dann geht’s los, wobei ich oft gefüttert wurde. Ich überlege immer noch, ob aus Gastfreundschaft oder aus Mitleid.
Kaum glaubt man, es ist vorbei, werden neue Teller angekarrt. Abgeräumt wird erst, nachdem alle den Tisch verlassen haben. So sieht man bis zuletzt die Spuren unendlicher Gelage.
Ich dachte immer, dass ich mit Stäbchen essen könne. Das war zwar funktionell richtig, aber vom „Benimm Dich“ war mein Stil eher fragwürdig, wie ich erfahren.habe. Na gut, jetzt habe ich gelernt, wie es wirklich geht. Mir fällt zwar jetzt immer alles auf den Tisch, aber dafür ist es elegant.
Die Qualität des Essens ist generell sehr gut, ein bisschen Experimentierfreude vorausgesetzt…
Auf jeden Fall waren die Highlights ein Lunch-Buffet von geschätzten 3 km Länge im Taipei-Sheraton im Zuge eines Zeitungsinterviews mit der China Times, Taiwans größter Zeitung, und ein Business Dinner mit Jingo Records, das nicht enden wollte...
RELIGION
Prinzipiell sind die meisten Taiwanesen Daoisten, was aber nicht heißt, dass nicht auch gleichzeitig Naturgötter verehrt werden können. Zu jedem Thema der beste Gott, sozusagen. Vor den Häusern gibt es kleine Feuerstellen, wo die Leute „Ghost Money“ verbrennen, Falschgeld also, dass sie um echtes Geld kaufen (na wenigstens zu einem guten Wechselkurs). Den Geistern und Göttern scheint’s egal zu sein.
Beachtlich ist auch, dass der/die Tempelwächter/in im Tempel vor der kreischenden Fernsehkiste sitzt, hat mich echt überrascht, man stelle sich das einmal in einer Kirche vor.
Außerdem habe ich auch einmal direkt vor einem Tempel eine Art Privat-Karaoke in ohrenzerfetzender Lautstärke miterlebt. Naja.
DIE INTERVIEWS
Erica begleitete mich an diesen zwei Tagen in der Funktion des Übersetzers. Wir trafen Amy und Hensen von Jingo Records vor einem Starbucks Cafe in Taipei. In Amy’s kleinem Auto mit dem bedeutenden Aufkleber „Attention! Princess driving this car“ schlängelten wir uns hupend und schimpfend zwei Tage durch das Chaos. Meistens sprangen wir irgendwo aus dem Auto um Hensen nachzulaufen, der schnurstracks in irgendwelche Gebäude rannte, die Formalitäten beim Portier erledigte und uns dann zu den Radiostationen führte, wo wir Amy wieder trafen, die einstweilen das Auto losgeworden war.
Das allererste Interview hatte ich beim Sender ET-FM mit der berühmten CoCo, die eigentlich für harte Politinterviews bekannt ist, in diesem Fall aber streichelweich und völlig fern des Themas hauptsächlich an meinem Single-Status interessiert war. Das allerdings auch noch nach dem Interview....
Danach ging es in’s Taipei Sheraton, wo wir das schon beim Thema ESSEN erwähnte bescheidene Mittagsbuffet erlebten (zur Erinnerung, Buffetaufbau von 3km Länge, alles was man sich nur vorstellen kann....) während dessen ich mit einer Journalistin der China Times über Ballycotton sprach (ein typisches Interview war das nicht, dazu waren wir alle viel zu sehr mit Essen beschäftigt...).
Dann war gedrängtes Programm. Zuerst ein Blitzinterview mit Eric Chang bei IC FM, danach ein sehr ausführliches und bequemes Interview mit Jie Wen Hwang (The Broadcasting Corporation of China, BCC), das so lange gedauert hat, dass Amy und Hensen verzweifelt vor der Scheibe wild gestikulierten, weil wir längst weiter müssen, und zwar zu einem Live Interview!
Völlig abgehetzt (durch den Verkehr hupend und hüpfend) erreichten wir den Sender Police Radio Station, der 24 Stunden Nachrichten und Verkehrsinformationen bringt. Mein Interviewpartner war Robert (A-Guo), der Starmoderator des Senders. Da Amy und Hensen sich um eine Stunde geirrt hatten, kamen wir doch rechtzeitig zum Interview, das mir viel Spaß gemacht hat ...
Danach war Dinner mit dem Chairman von Jingo Records, Steven Chen, und allen wichtigen Kontaktpersonen angesagt. Endlich lernte ich meine Emailpartner persönlich kennen.
Das Dinner selbst war wie immer ein kontinuierlicher Strom an Essenslieferung an den „Round Table“ und ich war froh, dass ich schon halbwegs wusste, wie so etwas abläuft. Daher war ich auch nicht sehr überrascht als Steven begann mich zu füttern.
Nun, das einzige Wort, das ich auf Taiwanesisch kenne ist "hotala", was wie das chinesische "ganbei" übersetzt: "Leert das Glas!" bedeutet. Damit habe ich Steven sehr amüsiert und es führte dazu, dass wir die nächsten fünf Runden Bier ex leeren mussten....erst mein Hinweis auf ein weiteres Interview nach dem Dinner (was später glücklicherweise abgesagt wurde) rettete mich.
Das Abendprogramm war noch ein Ritt (mit schon erwähntem Aufzug) auf den brandneuen Taipei 101, ein 500m hohes Gebäude, von wo aus man wie aus einem Flugzeug auf das beleuchtete Taipei blicken konnte. Es war sehr beeindruckend. Steven hatte mich mit seiner Limousine samt Chauffeur hingebracht und Mark und Zoe begleiteten mich den ganzen Abend.
Am nächsten Tag waren die Frühtermine abgesagt worden. Gegen Mittag trafen wir wieder Amy und Hensen und die brachten uns in das Büro von Jingo Records, wo mir Mark und Zoe die Firma und ihre Abteilungen zeigten. Danach stellte ich ihnen unser Dokumentationsvideo vor und verhandelte über einen Lizenzvertrag für Eyla.
Der Nachmittag war dann wieder voll mit Interviewterminen. Wir waren bei UNI Radio und ich hatte ein sehr gutes Live Interview mit Sharon (Yue Chi) und ein zweites Interview auf dem Papier, weil mein Host Sih-Li erkrankt war und mir die Fragen schriftlich gestellt hat.
Danach wieder zur Police Radio Station, Liveinterview mit Lily und zu guter Letzt noch einmal zu ET FM, ebenso Live, mit einem Moderator, der alle Ballycotton CDs kannte und sehr begeistert von unserer Musik war. Ich hatte bei ihm die Möglichkeit fast die ganze CD Eyla zu spielen. Dieser Mann hat auch ein Weblog, wo er Ballycotton beworben hat und die Zuhörer auf mein Interview reagierten. Super...
Am Abend waren Erica und ich noch auf ein entspanntes Dinner mit Amy, Hensen, Mark und Zoe eingeladen, wo ich das erste Mal einen Hot Pot kennenlernte, eine Art Suppeneintopf mit eingebautem Kohleofen.
Danach führten sie mich noch durch ein belebtes Viertel mit viel jugendlichem Charme, Modegeschäften, Musicstores (wo ich in praktisch jedem Plattenladen Ballycotton CDs fand) usw - ein äußerst angenehmer Ausklang dieser zwei arbeitsreichen Tage.
Mir sind diese Leute in dieser kurzen Zeit sehr ans Herz gewachsen, und ich werde sie wiedersehen, wenn Ballycotton wieder in Taiwan tourt.